Motorradreifen Neuregelung (Deutschland)
Zusammenfassung
Die Freiheit auf zwei Rädern könnte nahezu grenzenlos sein, wenn es nicht allerhand gesetzliche Grenzen gäbe. Klare Richtlinien und Vorgaben sind richtig und wichtig, das steht außer Frage. Doch vor allem an der neuesten Regelung zur Abnahme von Motorradreifen scheiden sich die Geister in der Motorradszene. Die Änderung des Zulassungsverfahrens ist zu Jahresbeginn 2025 final in Kraft getreten. Früher oder später tangiert sie fast jeden Biker – insbesondere durch mehr Aufwand und höhere Kosten im direkten Vergleich zur bisherigen Freigabepraxis. • Motorradreifen-Neuregelung seit 2020 – zunächst für Neureifen • Nach 5-jähriger Übergangsphase: Finale Umsetzung für alle Reifen seit 1.1.2025 • Reifenhersteller-Freigaben jetzt irrelevant im Rahmen der StVZO • Unterschiedliche Szenarien je nach Reifendimensionen, Größenfreigaben & Fahrzeug • In vielen Fällen: Einzelabnahme durch Prüforganisation erforderlich
Bei der Entwicklung von Motorrädern haben die Fahrzeughersteller (Motorradmarken) ihre neuen Krads oft in Zusammenarbeit mit nur einem bestimmten Reifenhersteller getestet. In Vergangenheit war es nicht unüblich, dass dieser spezifische Reifenhersteller dann auch in den Papieren vermerkt war bzw. bei Zulassungsbescheinigungen älterer Fahrzeuge immer noch vermerkt ist. Die Herstellerangabe im Fahrzeugschein kann in Ausnahmefällen als sogenannte Fabrikatsbindung noch verbindlich sein, ist aber mittlerweile in den gängigsten Fällen lediglich als Empfehlung zu sehen.
Sofern ein Reifenmodell einer anderen Marke mit denselben oder vergleichbaren Dimensionen und Spezifikationen am Motorrad montiert werden soll, ist die in der Zulassungsbescheinigung eingetragene Reifenmarke und das Modell lediglich als Bereifungsempfehlung zu betrachten und nicht bindend.
Um eine Fabrikatsbindung zu umgehen und das volle Potenzial des Reifenmarktes und der Motorräder auszuschöpfen, haben sich Fahrzeug- und Reifenhersteller seit 2008/2009 auf gemeinsame Testverfahren geeinigt. In umfassenden Tests werden seitdem Motorrad- und Reifenmodelle regelmäßig kombiniert und strengen, praxisnahen Prüfungen unterzogen.
So kamen und kommen auch weiterhin die etablierten Herstellerfreigaben zustande, die auch als Unbedenklichkeitsbescheinigung (UBB) sowie Herstellerbescheinigung, Servicebescheinigung oder Reifenfabrikatsbindung bekannt sind und bislang Gang und Gäbe waren.
Gemeinsame, intensive Testverfahren zwischen Motorradherstellern und Reifenmarken wie u. a. Metzeler, Pirelli, Maxxis, Michelin, Bridgestone, Continental, Heidenau u. v. m. wurden bislang als reliable Grundlage für die Reifenfreigaben auf den unterschiedlichen Motorradmodellen akzeptiert. Die speziellen Bedingungen auf eigenen Teststrecken boten aussagekräftige Ergebnisse, um die Kombination aus Motorrad- und Reifenmodell als unbedenklich (oder eben nicht) für den öffentlichen Straßenverkehr einzustufen. Die Freigabe des Reifenherstellers hatten Motorradfahrer bislang als Nachweis bei jeder Fahrt stets mitzuführen.
Herstellerfreigabe - Die bisherige Vorgehensweise
Bereits seit vielen Jahren war Prüforganisationen daran gelegen, die bewährte Regelung auf Basis der Herstellerfreigaben zu kippen. Der Gesetzgeber hat die Apelle in Vergangenheit abgelehnt – bis es 2019 doch zur Änderung kam und sich seitdem für Motorradfahrer einiges geändert hat – spätestens mit Jahresbeginn 2025.
Mit der neuen Regelung ändert sich vor allem die Voraussetzung, dass ein Reifen nicht mehr final durch den Reifenhersteller, sondern im Zweifel durch eine gesonderte Abnahme durch eine Prüforganisation wie Dekra oder TÜV freigegeben wird. Ob und wann die neue Regelung im individuellen Einzelfall greift oder nicht, hängt insbesondere vom Motorradreifen selbst ab. Prinzipiell umfasst das Gesetz alle Motorräder mit EG-Typgenehmigung 2002 (Richtlinie 2002/24/EG). Wichtig ist dabei zu beachten, dass eine Veränderung am Fahrzeug, die den Bauraum der Reifen betrifft immer mit einem Erlöschen der Betriebserlaubnis verbunden ist. Ausgehend vom Reifen waren vor allem das Reifenalter (DOT) und die Dimensionen ausschlaggebend. Zunächst waren alle Motorradreifen mit DOT ab 1.1.2020 von der Neuregelung betroffen. Solche Motorradreifen, deren DOT bis einschließlich 31.12.2019 datiert ist, unterlagen einer Schonfrist bis einschließlich 31.12.2024. Für diese Reifen galt innerhalb dieser Frist auch weiterhin das Herstellerfreigabe-Prinzip und die UBB musste wie gewohnt bei jeder Fahrt mitgeführt werden. Sobald das Krad aber mit neuen Reifen ausgestattet wurde, die von den Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung abwichen, fiel es aber unter die Neuregelung.
Die Änderungen seit Jahresanfang 2025
Die neue Regelung zur Umbereifung von Motorrädern erfordert eine Einzelabnahme, wenn die neuen Reifen von den im Fahrzeugschein angegebenen Dimensionen oder Spezifikationen abweichen. Solange die Reifen denselben Vorgaben entsprechen, ist keine Abnahme notwendig. Abweichungen, wie etwa breitere Reifen oder größere Querschnitte, erfordern eine Einzelabnahme nach § 19 (2) der StVZO. Früher konnten Reifenhersteller diese Abweichungen freigeben, doch nun müssen Motorradfahrer entweder die Vorgaben des Fahrzeugherstellers einhalten oder eine teure und aufwendige Abnahme durch TÜV, Dekra oder GTÜ in Kauf nehmen. Besonders bei älteren Motorrädern oder nicht mehr produzierten Reifenmodellen wird eine Umbereifung notwendig, wodurch die neue Regelung zusätzliche Herausforderungen für Biker mit sich bringt.
Im Wesentlichen gibt es künftig zwei unterschiedliche Möglichkeiten, neue Reifen legal auf ein Motorrad zu bringen. Einerseits ist dies die klassische Einzelabnahme mit Eintragung in die Fahrzeugpapiere, andererseits die Austragung der vorherigen Reifenbindung.
Bei älteren Reifenmodellen, deren Dimensionen in Zoll angegeben sind, verhält es sich ähnlich wie bei der Ein- und Austragung. Die alte Zollangabe muss durch eine Prüfstelle in eine metrische Einheit übersetzt werden (gängige Reifengrößen-Angaben). Dies kann jedoch nicht rein rechnerisch erfolgen, sondern muss anhand von Messverfahren und unter Berücksichtigung von Toleranzen ebenfalls in einer Einzelabnahme durchgeführt werden. Auch hierbei ist wie im Falle der Eintragung eine Testfahrt durch den Prüfer erforderlich.
Gut zu wissen: Die neuen Reifen bzw. abweichende Reifengrößen müssen zur Begutachtung durch die Prüfstelle am Fahrzeug montiert sein. Der Weg zur Prüfstelle findet also theoretisch „ohne Betriebserlaubnis“ statt. Dennoch ist diese Fahrt zur Vorführung legal und versichert.
Möglichkeiten bei der Umbereifung
Komplett nutzlos werden Herstellerfreigaben durch die Neuregelung natürlich nicht. Im Gegenteil: Die Tests und die daraus resultierenden Freigaben der Reifenmarken bieten Motorradfahrern weiterhin wertvolle Orientierung. Zudem können Prüfer und Gutachter die Informationen aus den Herstellerfreigaben als unterstützende Referenz bei Einzelabnahmen nutzen.